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BLOG vom: 14.08.2023

Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

 


Blick auf eine Kürnberger Steuobstwiese
 

Die artenreichen Streuobstwiesen sind in Deutschland gefährdet. Oft sind die Bäume überaltert und tragen kaum noch Früchte. Ich habe kürzlich eine Streuobstwiese in Schopfheim-Kürnberg, Landkreis Lörrach, unter die Lupe genommen (ein Teil des Berichtes wurde im regionalen Teil der „Badischen Zeitung“ unter meinem Namen publiziert). Wie wir sehen werden, gibt es Hilfen für die bedrohten Streuobstwiesen. Im Anhang sind einige erfolgversprechende Initiativen in Österreich, Deutschland und der Schweiz aufgeführt.

Baumpflanzaktionen
Laut einer Pressemitteilung von Ortsvorsteher Peter Ulrich machte ein Bewohner von Kürnberg in einer OR-Sitzung am 15. Juni 2023 auf die durch das Land geförderte Baumpflanzaktion in der Gemeinde Buggingen aufmerksam. In Buggingen beschloss der Gemeinderat mit Unterstützung des Landschaftserhaltungsverbandes (LEV) kostenlos Bäume für Gärten und Streuobstwiesen zur Verfügung zu stellen. Eine solche Aktion wäre auch bei den Kürnberger Bäumen auf Streuobstwiesen notwendig, da viele Bäume teilweise überaltert sind. Nach Angaben von Marcus Krispin ist derzeit keine Baumpflanzaktion mit dem Landschaftserhaltungsverband von der Stadt Schopfheim geplant. Am Tüllinger Berg in Lörrach pflanzen Schüler seit Jahren Bäume. Das Landratsamt und der Lebensmittelfrischmarkt Hieber haben die Baumkarten-Aktion dafür entwickelt. Karsten Pabst von Hieber sagte, die Baumkarten gibt es immer noch. „Wir hoffen auf mehr Kunden, die noch teilnehmen und so die Baumpflanzaktion unterstützen.“ Pro voll abgestempelter Baumkarte, die Kunden erhalten, sponsert Hieber 2 Euro für die Pflanzung und den Erhalt von Obstbäumen.

Anlässlich eines Rundganges mit dem ehemaligen Gymnasiallehrer Christan Wirth und einem Ortskundigen von Kürnberg konnte ich mich überzeugen, wie es auf Streuobstwiesen aussieht. Viele geschädigten hochstämmigen Bäume stehen verstreut auf den als Weideland genutzten Flächen. Sie stehen manchmal neben intakten Bäumen, wie ein Mahnmal in einer sonst schönen Landschaft. Die Streuobstwiesen gelten als stark gefährdet. Auf den Kürnberger Streuobstwiesen sah man Apfelbäume, Kirschbäume, Birnbäume und Walnussbäume. Ein Kürnberger bemerkte, vor Jahrzehnten wuchsen viele Kirschbäume in einer Reihe auf einer Wiese. Heute sind nur noch 2 an dieser Stelle zu sehen. Auch sah man altersschwache Bäume mit Misteln und einen Baumstumpf ohne Rinde. In anderen Bereichen von Kürnberg gibt es viele von Misteln befallene Obstbäume. Laut Experten wachsen Misteln häufiger an bereits kranken Bäumen. Diese Bäume sind leicht zu besiedeln. Ein Kirschbaum, der schon trockene Äste hatte, war noch voller Leben und zeigte sich in voller Kirschenpracht. Da war dann Naschen angesagt.

 


Kranker Kirschbaum
 

Artenreichste Biotope
Die Streuobstwiesen zählen zu den artenreichsten Biotopen. Viele Tier-und Pflanzenarten leben auf einer Streuobstwiese. Durch die fehlende Düngung und die zweimal stattfindende jährliche Mahd beobachtet man keine Pflanzenart, die überhandnehmen kann. Dafür sind dann unterschiedliche Pflanzengesellschaften anzutreffen wie Glatthafer, Wissen-Labkraut, Wiesen-Storchschnabel, Wiesen-Glockenblume. Die Landwirte in Kürnberg liessen nach der Mahd dankenswerterweise um die alten Bäume Pflanzengewächse stehen, das kommt den Tieren und Insekten zugute. An einer Stelle entdeckten wir die Heckenrose mit noch unreifen kleinen Hagebutten. Verschiedene Tierarten, wie der Steinkauz, Milan, Grün- und Buntspecht, Fledermäuse und Siebenschläfer finden hier Unterschlupf oder einen Ruheplatz.

Was können wir tun?
Laut dem deutschen „Streuobstwiesen-Bündnis“ haben die Streuobstwiesen eine Zukunft, wenn Menschen bereit sind, Zeit und Energie in der Pflege zu investieren. „Dazu gehört der fachgerechte Baumschnitt. Der ist notwendig, sonst vergreisen die Bäume früh.“ Wichtig ist auch, dass die Mosterzeuger mehr für Obst von den Streuobstwiesen zahlen und der Verbraucher bereit ist, einen höheren Preis zu akzeptieren.

„Nur wenn das Wissen um die Bedeutung und Pflege dieser wertvollen Biotope den nächsten Generationen erhalten bleibt, hat die Streuobstwiese in Zukunft eine reale Chance“, berichtet das Streuobstwiesen Bündnis.

 

Anhänge:

Hochstamm Suisse
In der Schweiz ist das anders als in Deutschland. In Deutschland werden in fast jeder Obstplantage Niederstammbäume bevorzugt und Bäume auf Streuobstwiesen kaum erneuert. Die Schweiz bevorzugt überwiegend Hochstämme. Diese prägen die Schweizer Kulturlandschaft. So säumen sie Alleen und Straßen, in und um die Dörfer stehen sie in Obstgärten und als Streuobstwiesen sind sie in allen Regionen vertreten.

Laut „Hochstamm Suisse“ (www.hochstammsuisse.ch) weisen Hochstammobstgärten eine grosse Zahl verschiedener Lebensräume auf und gehören damit zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. „Die jahrhundertealte Nutzung widerspiegelt sich auch in der Artenvielfalt. Heute kennt man in der Schweiz über 2500 Obstsorten.

Der genannte Hochstamm-Suisse ist ein Verein, der sich für die Erhaltung und Förderung der Hochstammgärten in der Schweiz einsetzt.

Blühendes Österreich „streuobst“
In Österreich ist eine Stiftung für den Erhalt von Streuobstwiesen aktiv.

„Die BILLA-Stiftung Blühendes Österreich, die ARGE Streuobst Österreich und BILLA Regioscouts stärken gemeinsam Streuobst-Leuchtturmprojekte von kleinstrukturierten bäuerlichen Betrieben und tragen zum Erhalt der Biodiversität und Sicherung von hochwertigen Lebensmitteln aus Streuobstproduktion bei.“

Hochstamm-Deutschland
In Deutschland gibt es eine Initiative (www.hochstamm-deutschland.de) die den Streuobstanbau mit Hochstämmen fördert. Sie hat den Antrag gestellt, dass der Streuobstanbau ein immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe wird. 1,3 Millionen Bundesbürger haben den Antrag unterstützt. Am letzten Freitag im April jeden Jahres wird der „Tag der Streuobstwiese“ gefeiert.

 

Ein herzliches Dankeschön geht an Manfred Friedlin für die exzellente Führung durch die Streuobstwiesen in Kürnberg.

 

Infos im Internet
https://streuobstwiesen-buendnis-niedersachsen.de
www.hieber.de
www.unkraut.ch
www.hochstammsuisse.ch
www.hochstamm-deutschland.de
www.bluehendesoesterreich.at/streuobst
www.badische-zeitung.de

 

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